Der gute Mensch von Sezuan – Skizzen zum 5. Bild

HerrmannFunk

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Danke, Herbert!

Demokratie muss wehrhaft sein. Vor allem in Zeiten, in denen sie von rechtsextremen Schwätzern mehr und mehr attackiert wird. Grönemeyer findet dazu klare Worte, zeigt Kante. Er brüllt, dass man Grundwerte wie „Humanismus“ verteidigen, notfalls diktieren muss.

Rechte Demagogen vergleichen Grönemeyer nun mit dem „arischen“ Hinkebein Goebbels. Das ist perfide und widerlich, aber auch eine gängige Methode, nämlich die, Vorwürfe einfach umzukehren und z.B. Linke als „die neuen Nazis“ zu bezeichnen. Goebbels brüllte den “totalen Krieg“ in die aufgehetzte Nazimeute. Grönemeyer ruft begeisterten Fans zu, dass unsere Gesellschaft „offen und humanistisch ist und den Schwachen Schutz bietet“. Wer hier Parallelen zieht, ist antidemokratisch und demagogisch.

Demokratie muss wehrhaft sein. Grönemeyer, will, dass wir uns wehren. Mit allen legalen Mitteln. Denn „diktieren“ ist nicht gleich „Diktatur“. Diktieren heißt, Kriminelle durch Gesetze in Schranken zu weisen oder bsw. zu prüfen, ob eine AfD verfassungswidrig agiert. Diktieren heißt, rechte Morddroher im Internet strafrechtlich zu verfolgen. Diktieren heißt, rechte Schwafler wie Maaßen oder Sarrazin aus Parteien auszuschließen. Diktieren heißt: Bis hierhin und keinen Schritt weiter. Keinen Millimeter weiter nach rechts. Lasst uns den Nazis zeigen, dass wir unsere Demokratie verteidigen. Zusammen mit Herbert.

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Stellungnahme zum Mord am Frankfurter Hbf, 29.07.19

Als ich am 29.07. von dieser niederträchtigen Tat hörte, weckte das in mir primitivste Gewaltphantasien. Ich stellte mir vor, was ich mit dem Täter tun würde, wenn ich könnte. Das passiert mir nicht oft und zeigt mir, wie groß die Betroffenheit ist.
Mit etwas mehr zeitlichem Abstand denke ich, dass es wichtig ist, dass wir alle klar Position beziehen: Gegen Gewalttaten wie diese, aber auch gegen das rechtsextreme Ausschlachten solcher Ereignisse. Deshalb:

1. Dieser Mensch, egal ob Afrikaner, ehemaliger Flüchtling oder nicht, muss angemessen bestraft werden. Viele Menschen in Deutschland finden, dass das manchmal zu lasch gehandhabt wird. Ich gehöre immer öfter dazu. Nicht nur die Mutter des Kindes, auch Dutzende von Zeugen sind traumatisiert, werden ihr Leben lang mit den Folgen des Mordes zu kämpfen haben. Auch der Täter muss die Folgen sein Leben lang spüren. Und nicht nur 15 Jahre. Eine psychische Störung, von der hier und da als Hypothese zu hören ist, halte ich für eher marginal bezüglich eines Strafmaßes.

2. Es ist offen gesagt ziemlich irrelevant, von welchem Kontinent der Täter stammt, ob er 2006 ein Flüchtling war, wer ihn damals aufgenommen hat usw. Die Gesellschaft hat nicht allein ein Problem mit männlichen Immigranten, die Kinder vor einen Zug schubsen, nicht allein mit männlichen Neonazis, die Politiker hinrichten und türkischstämmige Deutsche ermorden, nicht allein mit männlichen Triebtätern, die sich im Schutz z.B. kirchlicher Institutionen an Kindern vergehen, nicht allein mit männlichen Jugendlichen, die sich in überfüllten Schwimmbädern profilieren müssen und Menschen bedrohen. Unter dem Strich hat die Gesellschaft ein Problem mit dem gemeinsamen Nenner dieser Gruppen: mit Männern.
Es sind immer die Männer, die sich und ihr Verhältnis zu Gewalt kritisch überdenken müssen. Frauen üben meist verbale statt physischer Gewalt aus (Storch, Weidel, Steinbach u.a.) oder sie sind helfende Mitläuferinnen (Tzschäpe u.a.). Und sie sind immer in der Minderheit.

3. Und dazu gehört es dann auch zu überprüfen, ob Männer, wie möglicherweise dieser Eritreer, aufgrund einer Erziehung, die nichts mit unseren demokratischen Wertevorstellungen zu tun hat, zu Tätern werden. Wer wie ein chauvinistischer Pascha aufwächst, nie Grenzen seines Handelns kennen gelernt hat, Menschen anderer Kulturen und generell Frauen als minderwertig ansieht, glaubt, dass wir alle im Patriarchat zu leben hätten, der muss sich ändern. Egal ob er eine dunkle Hautfarbe hat oder sein Autokennzeichen auf 88 endet.
Und wenn er auf der Basis dieser Erziehung und dieses antidemokratischen Denkens straffällig wird, muss er zur Verantwortung gezogen werden. Wer meint, er könne Andersdenkende im Netz oder auf der Straße anpöbeln, beleidigen, mit dem Tod bedrohen, muss zur Verantwortung gezogen werden. Wer meint, er dürfe Kinder aufs Gleis schubsen, Politiker hinrichten, Kita-Leiterinnen Morddrohungen schicken, der muss Konsequenzen spüren. Hautfarbe interessiert mich null.

4. Die Presse sollte die Herkunft eines Täters wie den in Frankfurt nicht verschweigen. Sie bietet damit den Rechten nur das Futter für krude Verschwörungstheorien. Die Presse darf erwarten, dass wir mit der Information angemessen umgehen, sie sachlich bewerten. So einen Fakt zu verschweigen, um pöbelnden Neonazis keinen Raum zu bieten, ist ein Zugeständnis an diese Personen. Denen man keine Zugeständnisse machen sollte. Hetzer, Nazis, AfD’ler brauchen keine filternde Presse. Sie brauchen Menschen, die dagegenhalten.
Wehret den Anfängen.

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Wehret den Anfängen

Heute stolperte ich über einen Text, der im Internet kursiert, immer wieder weitergeleitet wird. Er hat einen ausländerfeindlichen, nationalistischen Unterton, ist voll von Unterstellungen und Lügen. Trotzdem fallen immer wieder Menschen darauf herein. Texte wie diese sorgen, wenn sie unreflektiert gelesen und geglaubt werden, dafür, dass Deutschland zunehmend antidemokratisch, rechtsradikaler und menschenverachtender wird.
Hier zunächst der penetrante Originaltext im Ganzen auf  Fotos.



Ich habe mir erlaubt, auf die Äußerungen dieses Machwerks einzugehen. Das Original ist in Anführungszeichen, meine Stellungnahmen kursiv. Bei den mit Sternchen versehenen Wörtern handelt es sich um inhaltliche, Rechtschreib- und Kommafehler.

„Nachdem die ‚Zigeunersauce‘ wegen Diskriminierung umbenannt werden soll…“ Zu Beginn wird gleich ein Gerücht platziert, es gibt keine Belege für diese Unterstellung. Aber die Stimmung soll zu Beginn des Briefes gleich mal angeheizt werden, nach dem Motto: „Es gibt ja so viele Beispiele…“ Tatsächlich wurde die „Zigeunersauce“ nie umbenannt, der Zentralrat der Sinti und Roma hat sich sogar ausdrücklich von diesem Anliegen distanziert. Quelle dazu: https://www.focus.de/politik/deutschland/streit-um-umbenennung-zigeunersauce-heisst-trotz-protesten-weiter-zigeunersauce_aid_1124016.html „!!!Bitte Durchlesen*, gerade unsere Moslems etc. hier!!!“ Warum sollen gerade die Muslime diesen Text durchlesen? Noch bevor Argumente oder Fakten kommen, ist dem neutralen und aufmerksamen Leser klar, dass der Hase hier in eine ausländerfeindliche Richtung laufen soll..

„Da hat sich Jemand* was vom Herzen geschrieben. Und Recht hat sie. Das ist der HAMMER!!! (kommt von einer jungen Lehrerin!)“ Der Autor des Kettenbriefes suggeriert hier, dass er nur die Einführung schreibt, alles Weitere aber von einer kompetenten Person komme, die zudem noch weiblich und jung ist. Man soll glauben, dass sich die ausländerfeindliche Haltung bereits durch weite Teile der Gesellschaft zieht und nicht nur aus der rechten Ecke kommt. Nirgends ist allerdings belegt, um wen es sich bei der „jungen Lehrerin“ handelt. Ich gehe davon aus, sie ist erfunden. Dies passt eindeutig in das Gesamtkonzept des Autors.

„Liebe verantwortliche Landes- und Bezirksschulräte und Politiker, liebe Ausländer! Wenn wir nicht mehr ‚Grüß Gott‘ sagen dürfen, gibt es nur eine Alternative:
Ihr habt das RECHT, Deutschland zu verlassen, wenn es euch nicht passt! Schön langsam sollten auch wir in Deutschland wach werden! Zu Schulbeginn wurden in Stuttgarter Schulen,* die Kinder von ihren Klassenvorständen informiert, wie man sich in der Gesellschaft zu verhalten hätte. Grüßen, Bitte und Danke sagen, einfach höflich und freundlich sein. Soweit in Ordnung, aber des Weiteren wurde ihnen auch mitgeteilt, dass das uns in Baden Württemberg vertraute ‚Grüß Gott‘ nicht mehr verwendet werden darf, da das die moslemischen Mitschüler beleidigen könnte.“  Eine schnelle Google-Recherche mit den Worten „stuttgarter schulen grüß gott“ ergibt 10 erste Links, die allesamt das Thema zum Fake erklären. Darunter etablierte Medien wie die Welt, der SWR und sogar die Bild: https://www.bild.de/regional/stuttgart/angebliches-gruess-gottverbot-veraergert-15697790.bild.html (Hier wird übrigens klar, warum rechte Schwätzer den Vorwurf der „Lügenpresse“ brauchen – all ihre rechtsextremen Behauptungen sind ja sofort widerlegt, wenn man die seriösen Gegen-Quellen nicht pauschal anzweifelt…)
Auffällig ist auch, dass unter den google-Ergebnissen eine Seite wie „www.nachrichten.de.com“ behauptet, der Bundestag habe das „Grüß Gott“ in Behörden verboten. Ruft man allerdings die Startseite auf, entpuppt sich das „Nachrichten“-Angebot als „Erstell-einen-Witz“-Seite.

„Dazu kann man als Otto Normalbürger eigentlich nichts mehr anfügen und nur mehr den Kopf schütteln. Ich kann’s gar nicht glauben. Ist aber wahr. Ihr könnt Euch gerne in Stuttgart in den Volksschulen* erkundigen.“  Hier suggeriert der Autor die vermeintliche Echtheit seiner Inhalte mit einem billigen Trick: Nur die wenigsten Leser werden umgehend das Telefon in die Hand nehmen und Stuttgarter „Volksschulen“ [veralteter Begriff, „Volksschulen“ gibt es in Deutschland schon lange nicht mehr] anrufen oder besser noch gleich persönlich abklappern.

„EINWANDERER UND NICHT DIE Deutschen SOLLEN SICH ANPASSEN!“  Der Autor des Kettenbriefs hat bis hierher 9 Worte in GROSSBUCHSTABEN geschrieben und 13x ein Ausrufezeichen verwendet! In der Netiquette – dem Rahmen für höfliches und respektvolles Miteinander im Internet – gilt dies als unangebracht und peinlich (Quelle: https://www.focus.de/finanzen/karriere/management/kommunikation/e-mail-eskapaden-im-schriftbild_aid_268465.html). Dementsprechend nenne ich den rechten Verfasser des Kettenbriefes von nun an „Schreihals“.

„Ich bin es leid, zu erleben, wie diese Nation sich Gedanken macht darüber, ob wir irgendein Individuum oder seine Kultur beleidigen könnten. Die Mehrheit der Deutschen steht patriotisch zu unserem Land. Aber immer und überall hört man Stimmen ‚politisch korrekter‘ Kreise, die befürchten, unser Patriotismus könnte andere beleidigen.
Versteht das bitte nicht falsch, ich bin keineswegs gegen Einwanderung; die meisten kamen nach Deutschland, weil sie sich hier ein besseres Leben erhofften.
Es gibt aber ein paar Dinge, die sich Neuankömmlinge, und offenbar auch hier Geborene, unbedingt hinter die Ohren schreiben sollten.“  Klassische rechtsextreme Rhetorik à la „Ich bin kein Nazi, aber..“ hat nur eins zum Ziel: dass man seine Vorwürfe aussprechen will, dabei aber vorab schon ausschließen möchte, das passende Etikett dafür zu bekommen. Die Antwort ist klar: Doch, lieber Schreihals, Sie sind gegen Einwanderung und gleich werden Sie dafür auch Ihre Argumente präsentieren, die, wie zu befürchten ist, keinen Deut substantieller sind als ihr bisher verfasstes Geschwafel.

„Die Idee von Deutschland als multikultureller Gemeinschaft hat bisher nur eine ziemliche Verwässerung unserer Souveränität und unserer nationalen Identität geführt.“  Nein, Sie und Ihresgleichen beweisen leider das Gegenteil. Mit peinlicher Souveränität betonen Schreihälse wie Sie Ihre nationale Identität, z.B. wenn Sie sie von einem fehlendem „Grüß Gott“ oder Zigeunersauce bedroht sehen.  „Als Deutsche haben wir unsere eigene Kultur, unsere eigene Gesellschaftsordnung, unsere eigene Sprache und unseren eigenen Lebensstil. Diese Kultur hat sich während Jahrhunderten entwickelt aus Kämpfen, Versuchen und Siegen von Millionen Männern und Frauen, die Freiheit suchten.“ Hier wird in perfider Art und Weise ausgeblendet, wozu Deutsche in den letzten 100 Jahren bereit waren, um bsw. ihre Gesellschaftsordnung („Herrenmenschen“) und ihre Kultur („entartete“ Kunst) in der Welt durchzusetzen (ca. 50 Mio. Tote allein im Zweiten Weltkrieg, Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Tote_des_Zweiten_Weltkrieges). An dieser Stelle wird das Vorgehen des Schreihalses widerlich, weil er bewusst nationale Töne anschlägt, dabei die Vergangenheit unserer Nation gezielt verharmlost, gleichzeitig die Gefahr durch Einwanderer aber zu dramatisieren versucht.

„Wir sprechen hier Deutsch, nicht Türkisch, Englisch, Spanisch, Libanesisch, Arabisch, Chinesisch, Japanisch, Russisch, oder irgend eine* andere Sprache. Wenn Sie also Teil unserer Gesellschaft werden wollen, dann lernen Sie gefälligst die Sprache!“ Gegen das Erlernen der deutschen Sprache durch Einwanderer ist sicher nichts einzuwenden. Was das aber mit dem behaupteten Verbot des „Grüß Gotts“ zu tun hat, bleibt offen. Zudem werden die schulischen Lehrpläne sämtlicher Bundesländer mit einer nationalistischen Handbewegung über den Haufen geworfen: Das Erlernen einer modernen Fremdsprache wie Englisch soll offenbar nicht mehr stattfinden im vierten deutschen Fantasiereich des Schreihalses. (Ach nein, angeblich ist es ja eine „junge Lehrerin“, die das fordert…)

„‚Im Namen Gottes‘ ist unser nationales Motto. Das ist nicht irgendein politischer Slogan der rechten Parteien. Wir haben dieses Motto angenommen, weil christliche Männer und Frauen diesen Staat nach christlichen Prinzipien gegründet und entwickelt haben.“  Redewendungen mit dem Wort „Gott“ haben sich in allen Ländern der Welt aufgrund des dort vorherrschenden Glaubens, der Gott, Allah oder Jehova als Wesen beinhaltet, entwickelt. Mit einem „nationalem Motto“ hat das – Gott sei Dank – nichts zu tun.

„Es ist also auch nicht abwegig, dies an den Wänden unserer Schulen mit einem Kreuz zu manifestieren. Wenn Sie sich durch Gott beleidigt fühlen, dann schlage ich vor, Sie wählen einen anderen Ort auf der Welt als Ihren neuen Wohnsitz, denn Gott ist nun mal Teil unserer Kultur.“  Der oben zitierte Bild-Artikel erwähnt ausdrücklich die Feststellung der damaligen baden-württembergischen Staatsrätin Ammicht-Quinn, es hätten sich nie Muslime darüber beschwert, dass im Namen Gottes gegrüßt werde.

„Wenn Sie das Kreuz in der Schule empört, oder wenn Ihnen der christliche Glaube nicht gefällt, dann sollten Sie ernsthaft erwägen, in einen anderen Teil dieses Planeten zu ziehen, er ist groß genug. Wir sind hier glücklich und zufrieden mit unserer Kultur und haben nicht den geringsten Wunsch, uns groß zu verändern und es ist uns auch völlig egal, wie die Dinge dort liefen, wo Sie herkamen.
Dies ist UNSER STAAT, UNSER LAND, und UNSERE LEBENSART, und wir gönnen Ihnen gerne jede Möglichkeit, dies alles und unseren Wohlstand mit uns zu genießen.  Aber wenn Sie nichts anderes tun als reklamieren, stöhnen und schimpfen über unsere Fahne, unser Gelöbnis, unser nationales Motto oder unseren Lebensstil, dann möchte ich Sie ganz dringend ermutigen, von einer anderen, großartigen deutschen Freiheit Gebrauch zu machen, nämlich vom ‚RECHT* UNS ZU VERLASSEN, WENN ES IHNEN NICHT PASST!’“  Hier wird das eigentliche Anliegen des Schreihalses deutlich: Das Beschimpfen von Ausländern. Die Aufzählung hat fast nichts mehr mit dem Thema zu tun, dass sich der Schreihals ursprünglich gegeben hatte. Der Text wird zu einer gegrölten Verallgemeinerung.

„Wenn Sie hier nicht glücklich sind, so wie es ist, dann hauen Sie ab! Wir haben Sie nicht gezwungen, herzukommen. Sie haben uns darum gebeten, hier bleiben zu dürfen. Also akzeptieren Sie gefälligst das Land, das SIE akzeptiert hat.“  Und hier wird es nun vulgär und beleidigend. Worte wie „hauen Sie ab“ oder „gefälligst“ sind herabsetzende Umgangssprache, die einmal mehr deutlich machen, dass hier jemand einfach nur seine xenophobe Grundhaltung verbreiten will. Niedlich ist natürlich das „uns“ in dem Satz  „Sie haben uns darum gebeten, hier bleiben zu dürfen“. Unsere Rechtsextremen glauben offenbar, sie hätten jeder einzeln ihr Einverständnis zu jedem Einwanderer gegeben..

„Eigentlich ganz einfach, wenn Sie darüber nachdenken, oder?“  Mit einer Prise höhnischer Arroganz wird das ausländerfeindliche Pamphlet abgerundet. In dem folgenden Abschluss werden Gleichgesinnte dann noch geschickt gestärkt: Man soll sich bloß nicht auf Diskussionen einlassen, die eigene Meinung ist ja Fakt. „Reklamierer“ seien einfach zu ignorieren. Wer so denkt, hat jede demokratische Grundlage von gesellschaftlichen Diskussionen verlassen. Gut, dass wir keine selbsternannten Patrioten ausweisen, weil sie antidemokratische, menschenverachtende Meinungen vertreten. Wenngleich das Gedankenmodell des bewundernswerten Walter Lübcke – Gott, Allah und Jehova haben ihn selig – sehr sympathisch war.  „Wenn wir dieses Schreiben an unsere Freunde und Bekannten weiterleiten, dann werden es früher oder später auch die Reklamierer in die Finger bekommen. Versuchen könnte man’s wenigstens. Egal, wie oft Ihr es empfangt… sendet es einfach weiter an alle, die Ihr kennt! …“

Die Kettenmail ist eine leicht veränderte „süddeutsch-regionale“ Version einer E-Mail, die in den 2000er Jahren in Österreich kursierte. (Quelle: https://www.tagblatt.de/Nachrichten/Gruess-Gott-197796.html) 2011 kam sie nach Baden-Württemberg. 2019 kursiert sie immer noch in Whats App-Gruppen und beeinflusst unbescholtene Bürger in ihrer vernünftigen Denkweise und verleitet sie zu rechtsextremen Ansichten. Dagegen müssen wir alle etwas tun. Wehret den Anfängen.

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Nochmal von vorn

Mitten im Leben neu anfangen. Bin wahrlich nicht der erste, der diese Erfahrung macht. Die letzten anderthalb Jahre waren ein emotionales Taumeln, eine Lektion in Sachen Kälte und Rücksichtslosigkeit und bedrohen inzwischen meine Gesundheit. Ich muss einen gedanklichen Neubeginn schaffen.
Der Job ist die Stütze. Die Arbeit mit den Schülern habe ich auch 2018 wieder genossen. Da kommt viel zurück. Und auch im Privaten sind Menschen im vergangenen Jahr dazugekommen, die ein großer Gewinn und wertvolle Persönlichkeiten sind. Andere Stützen, auch die kleinen, werde ich noch suchen und finden.
Auf geht’s.

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Die 10 schrägsten deutschen ESC-Beiträge

Kuriositäten gab es seit 1956 viele, aber eine Liste der schlechten Beiträge wäre wohl noch sehr viel einfacher. Vielleicht ist das hier auch ein bisschen eine Mischung aus beidem.

10. No Angels, Disappear (2008)
Nur sehr selten war es bislang eine gute Idee, abgehalfterte Stars für ein Comeback zum ESC zu schicken (Olsen Bros.). Auch im Falle der No Angels war die Aktion misslungen: Platz 23/25 mit 14 Punkten. Gesanglich bekommen die 4 Nicht-Engel ihr ziemlich schwaches Stück nicht wirklich in den Griff, vor allem beim Chorgesang hapert’s. Inszenierung und Optik des Auftritts sind ebenfalls missglückt. Bedeutungsschwangeres Posen in Diva-Gesten, dazu suboptimale Outfits mit Muttis Schlafzimmervorhängen, die zu Hause noch festhängen. Alles in allem war der Songtitel „Disappear“ Programm…

9. Cindy & Bert, Die Sommermelodie (1974)
Im Abba-Jahr beim Grand Prix Eurovision aufgetreten zu sein, ist natürlich ein böses Schicksal. Die Cindy und der Bert haben allerdings auch zusätzlich ein paar sehr unglückliche Entscheidungen getroffen. Cindys ausladendes Gewand wirkt wie selbstgefärbt beim wöchentlichen Treffen der saarländischen Flower-Power-Fans. Und den Bert in seinem durch und durch grünen Look meint man fast Hü-Hüpf singen zu hören. Wie Flip auf Biene Majas Blümchenwiese. 3 Punkte und der letzte Platz waren die nicht so blumige Ausbeute. Mein persönliches Problem: Als hübscher Schlager war die Nummer gar nicht sooo schlecht. Aber naja: Wenn man sich direkt danach den Waterloo-Auftritt anschaut…

8. Cascada, Glorious (2013)
Okay, beim ESC werden Erfolgsrezepte ja gern mal ein bisschen abgekupfert, aber wie schamlos Cascada hier Loreens „Euphoria“ imitieren, um auf der Punktewelle mitzuschwimmen, das ist dann doch wohl zu vielen in Europa negativ aufgefallen. Trotz guter internationaler Bekanntheit 14 Punkte und Platz 21. Die Kombi aus nachgemacht und trotzdem leblos war fatal.

7. Wind, Träume sind für alle da (1992)
Wind war ja ne echte ESC-Maschine. 2x zweiter Platz in den 80ern. Leider sind nicht alle guten Dinge drei. Diesmal ist es Platz 16 mit 23 Punkten. Das Problem dieses kleinen Schlagers ist nicht die pathetisch arrangierte Musik. Es ist der Text und das Problem beginnt schon beim Titel. Platitüdenalarm hoch drei. (Wobei: Sind Träume nicht immer erstmal nur für den Einzelnen da?) Aber auch sonst: Ein Mädchen, das einen Zug in die Freiheit nehmen will, der Arbeitslose, der ein Phönix aus der Asche wird (ich sehe Conchita milde grinsen). Der Obdachlose, der nur um seine Träume kämpfen soll, die würden dann schon wahr, verkünden uns Wind mit lächelnder Miene. Wir räkeln uns wohlig auf der gemütlichen Couch.

6. Stone & Stone, Verliebt in dich (1995)
Stein und Stein holten 1 Punkt und den letzten Platz. Die Nachthemdperformance verliert sich in einem Festival der knapp verfehlten Töne. Was der Refrain-Chor retten könnte, vermasselt er akustisch noch zusätzlich. Am Ende bleibt ein kackophonisches Wirrwarr. Is ja oft so, wenn man verliebt is. In wen auch immer.

5. Heidi Brühl, Marcel (1963)
Reim dich oder ich fress dich, dachte sich wohl Charly Nießen, der Texter dieses Beitrags von 1963. Er holte sich das schlagererfahrene Everybody’s Darling vom Immenhof, die gute Heidi Brühl, die dann ihre sittsam-brave Botschaft dem Publikum entgegenschleuderte:
„Marceeeeel
kannst du eventueeeell
doch etwas netter saaaain,
dann will ich dir verzeihn!“
Zu loben ist Heidi aber schon: Bei ihr gab’s schon 20 Jahre vor der haarigen Nena sauber rasierte Achselhöhlen.

4. Ulla Wiesner, Paradies, wo bist du? (1965)
Tja, die Ulla. Ein Lied, das nicht weiß, was es werden will, und ein Text, bei dem man den staunenden Mund erstmal wieder zubekommen muss:
„Ein Blick, dann ein Wort,
dann ein Brief, dann ein Du,
dann ein Kuss, dann ein Herz.
Wo bist du, Paradies?“
Tja, in diesen Versen jedenfalls nicht. Dachte sich wohl auch die Ulla und ging sicherheitshalber über in ein „Da dada ta dadada da, dada duya dada, ta dada dada, didi dudi, didi duda didi, dadi day…“

3. Leon, Der blaue Planet (1996)
1996 erlebte Deutschland sein eigenes Waterloo, leider kein schwedisches. Mit Leons „Planet of blue“ qualifizierte man sich nicht für’s Finale. Da war es dann Zeit, schnell die Regelung zu erfinden, dass die großen Finanzgeber des ESC einen festen Startplatz bekommen. Sowas will man dem deutschen Publikum ja nicht nochmal zumuten. Wie unfassbar schlecht allerdings der Beitrag ist, lässt einen auch heute noch staunen. Der Versuch, den poppigen Eurodance-Sound der Zeit zu treffen, geht so daneben, dass ich mir kurz Blümchen zurückwünsche.
Das Ding kommt eigentlich 15 Jahre zu spät: In die Zeit der Neuen Deutschen Welle hätte es noch einigermaßen gepasst („Heute düs ich ab ins All, beam mich hoch mit ’nem großen Knall“). Ihren Höhepunkt findet die Trivialität des Machwerks allerdings im Refrain: „Planet of blue, I love you“. Da hätte Shakespeare sicher wochenlang dran gefeilt…

2. Maxi und Chris Garden, Lied für einen Freund (1988)
1986 musste die 13jährige Sandra Kim noch lügen und sich 2 Jahre älter machen, um dann nicht nur am Grand Prix teilzunehmen, sondern ihn auch zu gewinnen. 2 Jahre später dachte sich Chris Gärtner, och, schleppe ich meine 13jährige Tochter Meike doch einfach mit auf die Bühne. Ich bin ja dabei. Gewonnen haben Mutti und „Young Maxi“ an den Flügeln im Gegensatz zu der belgischen Sandra aber nicht. Es ist durchaus noch ein braves, gefälliges Liedchen, das Siegel da lanciert hat und die beiden Mädels glücklich trällern. Und wenn man sich die Titel anderer Maxi-und-Chris-Garden-„Hits“ anschaut, lässt sich da ja noch viel schlimmeres vermuten: „Frieden für die Teddybärn“, „Jungs sind doof“ und „I like Otto“… Der Song war aber nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Was bei Dschingis Khan und Katja Ebstein mit „Theater“ noch originell war und Pfiff hatte, wirkt hier nur noch durchgeplant und kalkuliert. Und wurde dann auch folgerichtig mit Platz 14 abgestraft. Ein für damalige Verhältnisse wirklich schlechtes deutsches Ergebnis.

1. MeKaDo, Wir geben ’ne Party (1994)
Wie schlecht es um den ESC in den 90ern stand, wird einem bewusst, wenn man realisiert, dass diese kleine Katastrophe von einem Lied 1994 auf Platz 3 gekommen ist. Fesch, keck, knackig und witzig wollen sie daherkommen, die drei Häschen aus dem Siegel-Stall (na gut, Dorkas Kiefer kannte ich schon von irgendwoher). Tatsächlich wirken sie eher programmiert und wenig echt. Der Erfolg der Nummer lässt sich evtl. damit erklären, dass man in Europa den Text nicht verstand. Hier ein paar kommentierte Beispiele:
1. „Mhm, fühl den Rhythmus, Bäby.“ – Nein, fühl ich nicht. Will ich auch gar nicht.
2. „Wo ist ’ne Party, wo ist ’ne Party heut Nacht?“ – Für euch spätpubertäre Schatzis besser nirgendwo.
3. „Fliegt heute jemand mit mir zum Mond?“ – Na, jemand? Irgendjemand? Wer möchte?
4. „Ich will Spaß. Am besten alles und nicht irgendwas.“ – Okay Bäby, keine Kompromisse also. Schoki UND Jungs, richtig?
Am Schluss rappen die Grazien dann auch noch frech drauflos. Da denkt man sich doch, man ist lieber der Mann, der freitags nich kann…

Meine weiteren Texte zum ESC:
Die 10 besten deutschen Beiträge
Die 10 schrägsten Beiträge
10 Tipps, wenn du beim ESC auftreten willst

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Ein Song für jede Woche meines Lebens

Die „Ohrwürmer der Woche“ hier in meinem Blog sind nach langer Zeit wieder auf dem aktuellen Stand. Da steckte ein ganzer Arbeitstag drin. :) Mir gefällt der Gedanke, dass man in ein paar Jahren für jede Woche meines Lebens einen Lieblingssong finden kann.

Vor 40 Jahren: 18. März 1978


Vor 30 Jahren: 19. März 1988


Vor 20 Jahren: 14. März 1998


Vor 10 Jahren: 15. März 2008


Diese Woche: 17. März 2018

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„All my memories gather round her…“

Für Kerstin.
10.03.1967 – 25.11.2015
Weil sie den Song und das Land so liebte.

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